Bizarre
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Analysen des GEGENSTANDPUNKTs zu politischen und gesellschaftlichen Themen
Sendende(r): Louise Salome
Sendezeiten
Live:
3. Sonntag 18 Uhr
Wiederholungen:
4. Dienstag 9 Uhr (nur im Internet)
4. Donnerstag 12 Uhr
Sendungen
Sonntag, 15.03.2015
PEGIDA â Böse und gute Patrioten im Clinch
Im vorweihnachtlichen Deutschland und ab da regelmĂ€Ăig lassen sich null Komma nichts Zehntausende âPatriotische EuropĂ€er gegen die Islamisierung des Abendlandesâ mobilisieren. Im eher atheistischen Dresden und anderswo bekennen sie sich mit dem massenhaften Absingen von Weihnachtsliedern zur christlichen Leitkultur und wehren die Ausbreitung der falschen Religion oder gleich die MachtĂŒbernahme durch Imame und Scharia-Gerichte ab. Was geht diesen Leuten eigentlich verloren, wenn AuslĂ€nder wie sie auch ihre Arbeit tun, wohnen, leben und dabei nicht an den christlichen Gott glauben, sondern zu Allah beten?Die politischen Parteiensind aufgescheucht: Da meldet sich ein MassenbedĂŒrfnis, das sich im Spektrum der politischen Angebote nicht untergebracht und durch Wahlen nicht bedient findet, also das den Verwaltern des Volkswillens aus dem Ruder zu laufen droht. Ăber den Streit der Politprofis, ob sie die Demonstranten in die rechte Ecke stellen und aus dem Kreis respektabler Meinungen ausgrenzen, oder sie als FĂ€lle âirrationaler Phobienâ (Xenophobie, Islamophobie etc.) abtun sollen, arbeiten sie sich zur dritten Option vor: Um âdie Menschenâ wieder einzufangen und sie von ihren zwielichtigen AnfĂŒhrern zu trennen, wollen Politiker die âSorgen der Demonstranten ernst nehmenâ. Eine Schwierigkeit, die Angst vor Islamisierung und entsprechende âWehret den AnfĂ€ngen!â-Rufe ernst zu nehmen, kennen sie nicht. Politiker und Medien wĂ€lzen zwar die RĂ€tselfrage: âWas wollen die Pegida-AnhĂ€nger wirklich?â Im Grunde aber wissen sie immer schon die Antwort: Schnurstracks ĂŒbersetzen sich die politischen Volksbetreuer die demonstrierte Islamophobie in âsoziale BedrohungsĂ€ngste von Modernisierungsverlierernâ, âGlobalisierungsgegnernâ und âEuroskeptikernâ. Ihrem fachkundigen Urteil zufolge leiden solche Leute an der âUnĂŒbersichtlichkeitâ der Weltlage, am Verlust konservativer Werte, ja der Heimat. Der verrĂŒckte Ăbergang von Unzufriedenheit aller Art zur Diagnose der Ăberfremdung, zum GefĂŒhl, dass das Volk daheim nicht mehr daheim ist und seine nationale IdentitĂ€t nichts mehr gilt, sowie zum BedĂŒrfnis nach nationaler Selbstbehauptung ist den Politikern ebenso gelĂ€ufig wie den Pegida-Demonstranten. Irgendwie verstehen sie ihre WĂ€hler und sehen sich gefordert, ausgerechnet dieses ehrenwerte BedĂŒrfnis ihrer Kundschaft ernst zu nehmen â z.B. durch eine Debatte, ob ihre Asylpolitik ausreichend dafĂŒr sorgt, den âFlĂŒchtlingsstromâ nach Deutschland einzudĂ€mmen und unerwĂŒnschte Asylsuchende möglichst umgehend loszuwerden und von vornherein abzuschrecken, und ob ihre Einwanderungspolitik auch garantiert nur AuslĂ€nder ins Land holt, die sich durch nĂŒtzliche Dienste fĂŒr Deutschland ein Bleiberecht verdienen.
Die Gegendemonstrantenmit ihren Lichterketten und gemeinschaftlichem LĂ€rmen halten die fremdenfeindliche Bewegung aus der Mitte der Gesellschaft fĂŒr eine Schande. Sie haben eine andere Vorstellung von dem Gemeinwesen, dem sie angehören, und machen sich mit ihrem FremdschĂ€men zu ReprĂ€sentanten eines besseren, weltoffenen und humanen Deutschlands, eines menschenfreundlichen Dresden, Leipzig, MĂŒnchen und auch NĂŒrnberg, das Zuwanderer und HilfsbedĂŒrftige nicht ausgrenzt. Dem âchristlichen Abendlandâ setzen sie demonstrativ den Ruf nach wahrhaft christlicher oder sonstwie weltoffener Mitmenschlichkeit und SolidaritĂ€t entgegen, möchten diese Werte fĂŒr Deutschland und seine BĂŒrger verbindlich machen und âihr NĂŒrnbergâ als Hort eines solchen besseren Patriotismus hochhalten â im Verein mit Politik- und Parteivertretern, die wĂ€hlerwirksam die gute Gesinnung demonstrieren, die ihre praktisch betriebene Asyl- und AuslĂ€nderpolitik jeder Kritik entziehen soll.
Drei Fragen wirft diese immer wieder aufflammende nationale Erregung auf:
â Wie kommen deutsche BĂŒrger, die mit einigem zurechtkommen und manches Unerfreuliche schlucken mĂŒssen, also unzufrieden mit ihren LebensumstĂ€nden sind, auf die Diagnose, all ihre Miseren wĂŒrden daran liegen, dass sich zu viele Fremde in Deutschland tummelten, dass das gute deutsche arbeitsame Volk daheim nicht mehr daheim sei und seine nationale IdentitĂ€t nichts mehr gelte? Wieso kommen sie eigentlich darauf, die Politik lieĂe es â ausgerechnet in Sachen Asyl- und AuslĂ€nderfragen und ĂŒberhaupt â an entschiedenem Durchgreifen fehlen? Wieso vermissen sie ausgerechnet einen starken Staat und werden ausgerechnet darĂŒber rebellisch gegen die Regierenden?
â Warum verurteilen die Politiker den Protest der Pegida und grenzen ihn aus, haben aber zugleich fĂŒr dessen Anliegen VerstĂ€ndnis und entnehmen ihm entsprechend dringlichen Handlungsbedarf in Sachen AuslĂ€nderpolitik?
â Was ist von einer Kritik zu halten, die Pegida alternative Werte und Pflichten entgegenhĂ€lt, die sich fĂŒr gute Deutsche viel besser ziemen wĂŒrden? Geht es eigentlich in Ordnung, als ReprĂ€sentant eines vorgestellten besseren Deutschlands demonstrativ fĂŒr die GĂŒte eines Gemeinwesens einzutreten, das mit all seinen politischen Berechnungen und MaĂnahmen und den gĂŒltigen ökonomischen Interessen dem vorstellig gemachten Bild einer guten, fĂŒr alle wohnlichen Heimat laufend Hohn spricht?
Unsere Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit Redakteuren der Zeitschrift GegenStandpunkt soll Antworten hierzu liefern.Â
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